Komische Gesellschaft spielt Rezas "Drei Mal Leben"

Hervorragend gelungene Katastrophen

Skurril nachdenkliche Dialoge über den Sinn des Lebens, Laufmaschen und Kindererziehung

 

 

Bad Tölz - Von welch bisweilen unscheinbaren Kleinigkeiten die Entwicklung einer Situation abhängt, hat schon viele Kunstschaffende fasziniert. Mancher hat das Mittel der Wiederholung genutzt, um dies darzustellen. So ändert sich in Tom Tykwers "Lola rennt" der Ausgang der Geschichte dreimal, weil sich Lolas Lauf für den Geliebten jeweils um Sekunden verzögert. In "Und täglich grüßt das Murmeltier" durchlebt der Protagonist seinen Tag immer wieder neu, kann aber die Erfahrungen vom Vortag anwenden.

 

Bei Yasmina Rezas "Drei Mal Leben", das sich nun die Komische Gesellschaft (KG) vorgenommen hat, wird die gleiche Situation drei Mal wiederholt – aber in unterschiedlichen Versionen. Das ist witzig und tragisch zugleich und erntete im bis auf den letzten Stuhl ausverkauftem Haus bei der Premiere viele Lachsalven und frenetischen Applaus.

 

Der war verdient: Schließlich hatte das gute Dutzend Aktiver das Stück unter der Regie von Tobias Fuhrmann in nur zehn Tagen auf die Bühne gebracht. Das merkte man ihm jedoch nicht an. Bereits der Einstieg war durchdacht und wirkungsvoll. Hinter in den Komplementärfarben angestrahlten Stoffbahnen sind die Schauspieler zu erahnen. Dann beginnt auf dem großen Bildschirm in Bühnen-Mitte ein Video. In bester "Fit for Fun" Manier gestaltet Isabella Pelzer eine Aerobicstunde, für das Publikum und für Sonja (Carolin Bohn). Die plagt sich unter dem Motto "Bauch straff, Po tough", ihr Gatte Henri (Mark-Alexander Solf) quält sich derweil mit dem Sohn Arno. Der will einen Keks vorm Einschlafen. Man ist uneinig über die Handhabe, beginnt zu streiten, wirft sich alles schon lange Aufgestaute an den Kopf - die Situation eskaliert. Das Kind schreit, die Eltern ebenso, da klingelt es. Draußen stehen Hubert Finidori (Stefan Urmann) und seine Frau Ines (Birgit Strixner), die eigentlich erst für den nächsten Abend erwartet waren. Finidori ist wichtig für Henris Karriere: Er ist derjenige, der dem Abend endgültig den Todesschuss versetzt. Denn während er sich Kekse, Chips und Appetithäppchen einverleibt, erklärt er Henri, dass dessen Thema, an dem er seit zwei Jahren arbeitet, soeben anderswo veröffentlich wurde. Mal demütig kriecherisch, mal aggressiv, mal zwischen Euphorie und Resignation pendelnd reagiert Henri. Entsprechend verläuft der Abend dreimal anders, aber immer katastrophal.

 

Wunderbar Solfs Auftritt als Henri. Der junge Schauspielschüler meistert die Palette vom devoten bis zum eklig aggressiven Betrunkenen mit Bravour. Urmann gibt prächtig den überheblichen Schönling, der seine Gattin mit spitzen Seitenhieben bedenkt und dabei nicht die Finger von der Frau des Kollegen lassen kann. Wunderbar penetrant Strixners Ines, gut auch Carolin Bohn als herrische Sonja im ersten Akt und Isabella Pelzer, die nicht nur beneidenswert vorturnt, sondern für die genervte Sophie einspringt und die Gattin gibt. So wird über den Sinn des Lebens und Laufmaschen am Strumpf, wissenschaftliche Erkenntnisse und den Pumuckl diskutiert. Das ist skurril, nachdenklich und oft äußerst witzig. Ein gelungener Abend, diese katastrophale Party.

 

KATRIN FÜGENER